Wie entstehen psychische Störungen?

Psychisches Leid entsteht im Laufe der Lebensgeschichte durch unverarbeitete Beziehungsverstrickungen.

Nach der buddhistischen Vorstellung ist Leiden ein unabdingbarer und unvermeidbare Aspekt unserer Existenz. Es der entsteht durch

  • Gier – wenn man etwas haben will, was man nicht hat (z.B. man will eine Partnerschaft, hat aber gerade keine; man will Kinder, kriegt aber keine; man will attraktiv sein, ist aber nur durchschnittlich …),
  • Hass – wenn man will, dass etwas nicht da ist, was aber dennoch da ist (z.B. die/der Partner/in oder die/der Kolleg/in nervt; die Nachbarn sind zu laut; der Körper ist krank …),
  • Verblendung – wenn man etwas nicht wahrhaben will, was aber dennoch der Fall ist (z.B. dass man sterben wird; dass die eigenen Fähigkeiten begrenzt sind; dass die Welt voller Ungerechtigkeiten ist …).

Akutes Psychisches Leid durch Verlust, Kränkung oder Erkrankung gehört zum Leben dazu und kann nicht völlig vermieden werden. Es ist, sofern es von dem Betreffenden selbst in angemessener Zeit verarbeitet werden kann, psychotherapeutisch nicht behandlungsbedürftig.

Wenn sich jedoch im Laufe der Lebensgeschichte Leid aufrecht erhaltende Muster herausgebildet haben, die dazu führen, dass man in bestimmten Formen von psychischem Leid feststeckt oder immer wieder in die selben Fallen hineingerät, so sprechen wir von chronischem psychischem Leid oder von psychischen Störungen.

Psychische Störungen entstehen im Laufe der Lebensgeschichte, besonders in der frühen Kindheit, wenn Menschen Beziehungskonstellationen oder Ereignisse erleben, die sie emotional nicht verarbeiten können. Es kann sich dabei um einzelne, die Psyche schwer schädigende Ereignisse (Traumata) handeln, oder um langfristige Beziehungsverzerrungen, in die der Betreffende hinein verwickelt ist.

Besonders für die heranreifen der Psyche eines Kindes schwer oder nicht zu verarbeiten sind gravierende Formen von

  • Deprivation – wenn unverzichtbare Grundbedürfnisse (zum Beispiel nach vertrauensvoller Bindung, Respekt, Gehör, Schutz, klaren Regeln und Grenzen) dauerhaft nicht erfüllt werden,
  • Invasion – wenn die Selbstschutzgrenze eines Menschen körperlich oder emotional gewaltsam und/oder dauerhaft durchbrochen wird (zum Beispiel durch Prügel, Abwertung, Missbrauch, Anzüglichkeit o.ä.),
  • Restriktion – wenn die Grundbedürfnisse eines Menschen nach Handlungs-und Bewegungsspielraum dauerhaft und/oder massiv eingeengt werden (zum Beispiel durch Unterdrückung von spielerischem Herumtoben, Exploration des eigenen Körpers, von Spontanität oder Neugierde),
  • Konfusion – wenn durch unklare, widersprüchliche oder paradoxe Aussagen, Aufforderungen oder Botschaften ein Mensch verwirrt und in einen Zustand von Hilflosigkeit und Handlungsunfähigkeit gebracht wird (z.B. durch Botschaften wie: „ich liebe dich nur dann, wenn ich von deiner Existenz nichts mitbekommen“, „ich brauche, dass du brauchst, dass ich dich brauche“, „du musst unbedingt so sein, wie ich will dass du bist, aber aus deinem eigenen Antrieb heraus“ o.ä.).

Werner Eberwein