Wird in der Hypnose Zwang angewandt?

Die Vorstellung, dass Hypnose durch das Etablieren von suggestiven Zwängen funktioniert, ist leider weit verbreitet.

Dieses Bild ist entstanden und wird aufrechterhalten v.a. durch Showhypnotiseure und durch unzutreffende Darstellungen der Hypnose in Comics, Krimis oder Seifenopern. Hier wird das „Opfer“ der Hypnose in der Regel durch raffinierte, nicht nachvollziehbare Techniken in einen „geöffneten Zustand“ versetzt, in dem ein hypnotischer Zwang etabliert wird, dem die Versuchspersonen willenlos ausgeliefert zu sein scheint. So funktioniert seriöse Hypnose jedoch nicht, und einen solchen schädlichen Unsinn streben gut ausgebildete Hypnotherapeuten auch nicht an.

Im modernen Verständnis  wird der hypnotherapeutischen Prozess als Kooperationsverhältnis verstanden. Therapeut und Patient arbeiten gemeinsam, gleichsam „Hand in Hand“ an der Bewältigung eines Problems des Patienten und an konstruktiven Schritten auf ein vom Patienten gewünschtes und zwischen beiden kooperativ vereinbartes Ziel hin.

Es wird also grundsätzlich nicht ohne oder gegen den Willen des Patienten gearbeitet, sondern im Gegenteil: der Therapeut hilft dem Patienten, dorthin zu gelangen, wo der Patient hin will. Daher ist es auch gar nicht erforderlich, ja es wäre antitherapeutisch und ethisch unverantwortlich, dem Patienten hypnotisch zu etwas zu „zwingen“ oder ihm Suggestionen zu geben, die seinem bewussten Willen entgegenlaufen.

Hypnotische Suggestionen werden in der modernen Hypnose vielmehr als „Einladungen an das Unbewusste“ des Patienten verstanden, denen der Patient folgen kann, wenn er die Einladung in seinem Inneren als zieldienlich empfindet, die er aber auch ablehnen kann und soll (!), wenn sie seinem Empfinden entgegen laufen. Meines Erachtens ist das Erspüren, was gut und hilfreich ist und was nicht, sogar der zentrale Aspekt des hypnotherapeutischen Prozesses.

Der freie Wille des Patienten wird also in der modernen Hypnotherapie unterstützt und nicht ausgehebelt.

Schwierig ist das im Bereich von so genannten „Ich-syntonen“ Störungen, bei denen der Patient oder sein soziales Umfeld unter etwas leidet, was der Patient jedoch auf der bewussten Ebene als zu seiner Persönlichkeit gehörig empfindet.

Wenn beispielsweise ein Süchtiger, ein Mensch mit einer schweren Persönlichkeitsstörung oder ein Psychotiker durch Hypnose etwas erreichen will, was nach der Einschätzung des Hypnotherapeuten im Interesse des Patienten oder seines sozialen Umfeldes ethisch nicht vertretbar wäre, kann der Hypnotherapeut den Patienten dabei nicht unterstützen und muss den Auftrag des Patienten in Absprache mit dem Patienten modifizieren oder, falls das nicht gelingt, ablehnen.

Werner Eberwein