Wie läuft eine hypnotherapeutische Sitzung ab?

Eine hypnotherapeutische Sitzung läuft – vereinfacht – in fünf Phasen ab:

  1. Hypnosuggestive Kommunikation: Zuerst etabliert der Hypnotherapeut mit dem Patienten eine Ebene der hypnosuggestiven Kommunikation. Diese besteht nicht aus einer “Einbahnstraße” – der Therapeut “verabreicht” also nicht nur dem Patienten Suggestionen, sondern vielmehr schwingt er sich mit dem Patienten gemeinsam auf eine Ebene der Kommunikation ein, die mehr und mehr auch Grenzbereiche des Gewahrseins und schließlich einen Zugang zu unbewussten Bereichen beinhaltet. Die vielfältigen Ebenen der Beziehungsgestaltung, die hierbei zu berücksichtigen sind, sowie die vielfältigen Techniken, die hierfür entwickelt wurden, können hier nicht im Einzelnen behandelt werden.
  2. Induktion: Auf hypnosuggestivem Wege lädt der Therapeut den Patienten ein, sich in einen Zustand vertiefter Entspannung und Versenkung (genannt “Trance”) einsinken zu lassen. Diese sogenannte Induktion ist wirklich als Einladung zu verstehen, der der Patient also vollkommen frei folgen kann, wenn es für ihn Sinn macht, oder auch nicht. Aus diesem Grund sollte ein Hypnotherapeut in der Lage sein, auch ohne Trance therapeutisch arbeiten zu können, wenn der Patient die Versenkungs-Einladung zur Zeit aus welchen Gründen auch immer nicht folgen kann oder möchte. Im Prozess der Induktion geht auch der Therapeut in gewissem Umfang mit dem Patienten zusammen ebenfalls in einen leichten Versenkungszustand (“therapeutische Co-Trance“).
  3. Therapeutische Suggestionen: In diesem Zustand ist ein vertiefter Kontakt sowohl des Patienten als auch des Therapeuten zu latenten Ressourcen, abgewehrten Anteilen sowie zu psychovegetativen, dynamischen Resonanzprozessen möglich, so dass der Therapeut im Kontakt mit dem kreativen Unbewussten des Patienten hypnosuggestive Hinweisreize anbieten kann. Dieser Prozess des Herausarbeitens therapeutischer Suggestionen aus den unbewussten Ressourcen des Patienten wird als “suggestives Recycling“ bezeichnet. Auch hier werden die Suggestionen immer nur als Angebot unterbreitet, das der Patient annehmen, nicht annehmen oder für sich verändern und anpassen kann, wozu er auch direkt eingeladen und aufgefordert wird.
    Die therapeutischen Suggestionen können entweder direkt – wenn auch behutsam – formuliert sein (z.B.: “Ihr Unterbewusstsein kann Ihnen zeigen, wie Sie bei dem Gespräch mit XY am nächsten Dienstag ihre Bedürfnisse klar aber respektvoll vertreten können …”).
    Eine modernere Variante wäre es, die Suggestionen indirekt aktivierend anzubieten, beispielsweise in Metaphern, Symbole oder Geschichten verpackt, so dass der Patient aus ihnen genau das entnehmen kann, was für ihn zur Zeit passend und fruchtbar ist.
  4. Posthypnotische Suggestionen: Da das Ziel einer hypnotherapeutischen Sitzung nicht nur darin besteht, während der Sitzung selbst konstruktive Veränderungen zu bewirken, sondern diese auch darüber hinaus wirksam werden zu lassen, bietet der Therapeut dem Patienten Suggestionen an, die geeignet sind, konstruktive Veränderungen im Alltag zu bewirken. Auch dafür stehen vielfältige Interventionsweisen zur Verfügung, die hier nicht ausgeführt werden können.
  5. Reorientierung: Am Ende der hypnotherapeutischen Sitzung führt der Therapeut den Patienten auf die Ebene des alltäglichen Wachbewusstseins zurück. Damit der Patient, wenn er die Praxis des Therapeuten verlässt, vollständig reorientiert (und im Straßenverkehr voll orientierungsfähig) ist, ist es erforderlich, die Reorientierung sanft aber sehr gründlich zu machen und darauf zu achten, dass der Patient nach der Sitzung vollständig wach ist. In diesem Prozess kehrt auch der Therapeut selbst aus seiner Co-Trance wieder zurück in den Wachzustand.
    Der Patient hat nun die hypnosuggestiv aktivierten Ressourcen innerlich zur Verfügung, selbst wenn ihm das in vielen Fällen nicht oder nicht vollständig bewusst ist.
    Bestimmte Anteile dessen, was in der Tiefendynamik der hypnotischen Sitzung aktiviert wurde, wird der Patient vergessen („posthypnotische Amnesie“), was die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der hypnotherapeutischen Erfahrung erhöht.

Werner Eberwein