Wie kann man in Hypnose mit dem Unterbewusstsein kommunizieren?

Patienten, die mit dem Wunsch nach einer Psychotherapie unter Verwendung von hypnotischen Techniken einen Psychotherapeuten aufsuchen, leiden in der Regel unter spezifischen Problemen, mit denen sie alleine nicht weiterkommen. Diese Probleme definieren sie für sich selbst in der Regel in Form von Vermeidungszielen, z.B.: „Ich möchte diese Angst/Unsicherheit/Depression/Abhängigkeit/psychosomatische Störung … loswerden“.

Ein Hypnotherapeut könnte zunächst gemeinsam mit dem Patienten eine realistische Zielvorstellung für die Therapie erarbeiten, bspw. indem er den Patienten fragt, was er in der Therapie erreichen möchte, und diese Vorstellung (das „Annäherungsziel“) mit ihm gemeinsam ausarbeitet. Auf diese Weise entsteht eine positive Zielvorstellung, die – im Unterschied zu Vermeidungszielen – einen gewissen Sog entfaltet, d.h. eine verstärkte Motivation, das Annäherungsziel erreichen zu wollen. Wenn bspw. das Problem des Patienten darin besteht, dass er sich aufgrund von sozialen Ängsten in Konfliktsituationen schwer behaupten kann, so könnte die erarbeitete Zielvorstellung darin bestehen, dass der Patient in der nächsten Konfrontationssituation innerlich sicher, stabil, klar und offen, direkt und respektvoll seine Ansichten und Standpunkte zum Ausdruck bringt.

Nun wird der Patient in der Regel das Gefühl haben, dass er dieses Ziel zwar gern erreichen würde, dazu aber nicht in der Lage ist. Es eine sinnvolle Form von Psychotherapie wäre es, die Hindernisse auf dem Weg zum Ziel gemeinsam mit dem Patienten zu untersuchen und durchzuarbeiten. Dies ist auch mit Hilfe von hypnotischen Methoden möglich. Eine andere, recht kunstvolle Variante von hypnotischer Psychotherapie besteht darin, den Patienten in einen leichten bis mittleren Versenkungszustand (Trance) zu führen, und ihn darin anzuleiten, mit seinem Unterbewusstsein zu kommunizieren. Dahinter steckt die Idee, dass es im Unterbewusstsein jedes Menschen eine „innere Weisheit“ gibt, die dem Patienten helfen kann, Lösungsmöglichkeiten zu finden, zu denen er auf einer bloß rationalen Ebene keinen Zugang hätte.

Der Hypnotherapeut kann den Patienten in Trance anleiten, einen kommunikativen Kontakt mit seiner „inneren Weisheit“ zu etablieren. Ein möglicher Weg dazu ist es, in der Traumwelt der Trance ein Symbol für die „innere Weisheit“ des Patienten entstehen zu lassen. (Die „innere Weisheit“ kann, je nach Vorlieben des Patienten, auch als „weises Wesen“, als „innere/r Heiler/in“, „inneres Wissen“, „Bauchwissen“, „Weisheit des Unbewussten“, alte/r Weise/r“, „Intuitionen“, „wissenden Teil“ o.ä. bezeichnet werden.)

Der Hypnotherapeut hilft dem Patienten, ein Symbol zu finden, das sich eignet, mit seinem (als wohlwollend und weise konnotierten) inneren Wissen in Kontakt zu treten. Er könnte den Patienten bspw. in einer Traumreise in ein „fernes Land des Wissens“ führen, in dem ein „weises Wesen“ wohnt, dass „verbunden ist mit uraltem Wissen …“, usw. Welche Gestalt dieses weise Wesen in der inneren Welt des Patienten annimmt, ist nicht vorher zusagen. Bei manchen Patienten hat es immer wieder dieselbe Gestalt, bei anderen erscheint es in immer neuen Formen. Es könnte beispielsweise die Gestalt eines Vogels annehmen, der Sonne, des Windes, eines Feuerballs, von Darth Wader aus Krieg der Sterne, von Donald Duck, einer Feder, des Dalai Lama, eines alten Lehrers aus der Schulzeit, eines Verwandten, Freundes oder Therapeuten.

Nun leitet der Hypnotherapeut den Patienten an, sich auf respektvolle Weise dem weisen Wesen zu nähern. In der inneren Welt der Trance erscheinen Traumgestalten als sehr realistisch. Wenn das weise Wesen bspw. als Abt eines Klosters erscheint, so kann der Patient nicht einfach zu ihm hingehen, ihm die Hand schütteln, ihm auf die Schulter klopfen und ihn nebenbei nach einem Tipp für ein bestimmtes Problem fragen. Ein Abt ist eine ehrwürdige Person, die eine respektvolle und würdevolle Form der Annäherung erfordert, sonst ist er nicht bereit, mit dem Patienten zu kommunizieren. Wenn dagegen das Symbol für das weise Wesen ein kleines Vögelchen auf dem oberen Ast eines hohen Baumes ist, dann erfordert dies eine andere, vielleicht behutsame oder indirekte Art der Annäherung, um eine Kommunikation etablieren zu können. Hierbei braucht der Patient mitunter viel Unterstützung durch den Hypnotherapeuten.

Nun kann der Hypnotherapeut den Patienten anleiten, seinem weisen Wesen eine Frage zu stellen. Eine erste sinnvolle Frage ist dabei die, ob das weise Wesen bereit ist, mit dem Patienten zu kommunizieren. Falls das weise Wesen grundsätzlich zustimmt, kann der Patient nun Fragen stellen, die mit seinem Problem zu tun haben.

Das weise Wesen hat viele Möglichkeiten der Kommunikation: durch Worte, durch ein Kopfschütteln oder -nicken, durch innere Bilder, Fantasien, ein Zu- oder Abwenden, Berührungen, Geschenke oder Gefühle. Auf all diese Reaktionsmöglichkeiten macht der Hypnotherapeut den Patienten aufmerksam und bittet ihn, diese achtsam und mit Dankbarkeit anzunehmen.

Manchmal sind die Antworten des weisen Wesens sehr direkt, ja sie können den Patienten treffen wie ein Blitz. Sie sind in der Regel nicht banal, d.h. der Patient hätte diese Antwort vorher auf der rationalen Ebene nicht gefunden. Manchmal sind die Antworten auch orakelhaft oder sie gleichen einem Zen-Koan. Das weise Wesen könnte sich zum Beispiel als Reaktion auf die Frage in der Fantasiewelt des Patienten schweigend verharren, sich von ihm abwenden, die Augen schließen oder davongehen. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn der Patient eine Pseudo-Frage gestellt hat, die am Kern seines Problems vorbeigeht. Der Hypnotherapeut ermutigt ihn dann das weise Wesen auf der Ebene zu fragen, um die es wirklich geht. Eine Pseudo-Frage könnte z.B. sein: „Sollen wir uns eine neue Kücheneinrichtung kaufen?“ Wenn das weise Wesen sich dann desinteressiert abwendet, so kann das daher kommen, dass die eigentlich wichtige Frage vielmehr lauten könnte/sollte/müsste: „Was stimmt nicht in der Beziehung zu meiner Frau?“ Wenn dann diese Frage gestellt wird (und der Patient weiß es sehr wohl, wenn es eigentlich darum geht), kommt dann auch eine Antwort des weisen Wesens. Auf diese Weise kann sich ein längerer Dialog mit Fragen und Rückfragen an das weise Wesen entfalten, der vom Hypnotherapeuten moderiert wird.

Wenn der Patient befriedigende Antworten erhalten hat, kann er an das weise Wesen eine Bitte richten. Wenn etwa ein kontaktscheuer Patient auf die Frage „Wie überwinde ich meine Angst?“ die Antwort erhalten hat: „Sei du selbst“, und auf die Nachfrage, wie genau er das tun könne, die Antwort erhalten hat: „Lass dein Herz sprechen“, so könnte er das weise Wesen nun bitten, ihm zu helfen, sich in der nächsten zu bewältigenden Situation entsprechend zu verhalten und über die entsprechenden Fähigkeiten zu verfügen. So gibt sich also der Patient quasi selbst – vermittelt über das weise Wesen – eine posthypnotische Suggestion, die seinem eigenen Inneren entspringt (Recycling-Suggestion).

Wenn der Trance-Dialog abgeschlossen ist, führt der Hypnotherapeut den Patienten aus der Trance wieder zurück. Oft ist es dann hilfreich, den Patienten einzuladen, das, was er im Dialog mit dem weisen Wesen erfahren und erhalten hat, aufzuschreiben oder zu malen, weil das manchmal die Wirkung dieser Form von hypnotherapeutische Arbeit verstärken kann.

Der ganze Prozess kann, auch wenn sich der Patient in Trance befindet, von verbaler Kommunikation begleitet sein, d.h. dass Therapeut und Patient während der Sequenz miteinander sprechen. Das erfordert, dass der Hypnotherapeut auf eine Weise mit dem Patienten spricht, die die Trance des Patienten nicht unterbricht. Eine andere Möglichkeit ist es, mit Hilfe von ideomotorischen Signalen zu kommunizieren, während sich der Patient in tieferer Trance in seiner inneren Traumwelt bewegt.

Wenn Sie mehr über diese Technik erfahren wollen, können Sie mein Buch „Die Kunst der Hypnose“ lesen.

Werner Eberwein