Wie kann die psychische Krebs-Krise bewältigt werden?

Ein Krebsbefund ist für jeden Menschen ein schweres Trauma. Wenn einem Menschen ein Krebsbefund mitgeteilt werden muss, so erlebt dieser unweigerlich einen psychischen Schock, der ihm durch Mark und Knochen geht. Die Mitteilung des Befundes löst massive Ängste aus, so dass der Patient in der Regel zunächst in einen inneren Erstarrungszustand geht, weil er das, was er gerade gehört hat, noch nicht angemessen verarbeiten kann. Manche Patienten, insbesondere solche, denen es in dieser Situation an Unterstützung durch Angehörige oder Psychotherapeuten fehlt, wissen sich nicht anders zu helfen, als den Befund zu verleugnen, ihn zu verharmlosen oder nicht wahrhaben zu wollen. Sie versuchen, die Augen zu verschließen, gleichsam den Kopf in den Sand zu stecken um sich selbst und ihre Angehörigen nicht in Panik zu versetzen, was jedoch nicht wirklich gelingen kann.
Nach einer Weile oder im Untergrund entsteht unweigerlich Panik, das heißt, massive Angst und Aufgewühltsein. Der Patient erstarrt oder flüchtet sich in blinden Aktionismus, er spürt Tendenzen, sich zu verkriechen, die Situation zu verheimlichen, oder er wird wütend oder erstarrt vor Angst.
Die nächste Phase ist die Verzweiflung, die Kraft des Patienten lässt nach, er spürt Resignation und Erschöpfung oder Gefühle der Sinnlosigkeit, er fürchtet, dass sein Leben zu Ende geht, dass ihm alles entgleitet und er nichts dagegen tun kann.
Wenn der Patient über genügend innere und äußere Ressourcen verfügt, d.h. wenn er psychisch stabil genug ist und ausreichende und angemessene Unterstützung seiner Angehörigen und Behandler erfährt, gelingt es ihm nach Tagen, Wochen oder Monaten allmählich zur Besinnung zu kommen und langsam wieder Boden unter den Füßen zu finden, sich in gewissem Umfang zu beruhigen und sich wieder für Schönes und Haltgebendes im Leben zu öffnen.
Wenn es dem Patienten gelingt, die Krebskrise mehr und mehr zu bewältigen, findet er schließlich zu einer gewissen Akzeptanz der Krankheit, was mit Gefühlen der Erneuerung und Intensivierung einhergehen kann. Der Patient erlebt, gerade weil ihm die Endlichkeit seines Lebens unabweisbar vor Augen geführt wurde und wird, kleine, vorher vielleicht belanglose Momente oder Ereignisse positiver, intensiver und mit großer Dankbarkeit für jeden Moment.
Dies geht einher mit einem Gefühl der Demut, wenn es gut geht nicht in einem resignativen, depressiven Sinn, sondern als Bewusstsein, dass sehr viel für ihn getan wird, dass er auch selbst sehr viel tun kann, um gesund zu werden und zu bleiben, dass es ihn aber trotz all dieser Aktivitäten letztlich jederzeit „erwischen“ kann, dass er also vor der Gefahr einer Wiederkehr oder Ausweitung der Krankheit, vor weiteren körperlichen Beeinträchtigungen mit unter Umständen schwerwiegenden oder gar tödlichen Folgen niemals gefeit ist. Dies kann im Positiven dazu führen, dass sich der Krebspatient bewusster ist als vor seiner Erkrankung, was wirklich wichtig ist im Leben und welche Menschen ihm wirklich nahe stehen und am Herzen liegen.

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Werner Eberwein