Was ist Timeline-Arbeit?

Timeline-Arbeit ist eine psychotherapeutische Technik, die ursprünglich aus der Hypnotherapie stammt und die im NLP detailliert entwickelt und beschrieben wurde. Der Begriff Timeline bezieht sich dabei auf die psychische Repräsentation der Lebenszeit. Timeline-Arbeit gibt es in diversen Varianten.

Veränderung der Timeline selbst

Eine Variante der Timeline-Arbeit besteht darin, dass der Therapeut zunächst gemeinsam mit dem Patienten herausarbeitet, auf welche Weise der Patient geistig seine Lebenszeit repräsentiert. Häufig wird beispielsweise die Zukunft als „vor sich“ liegend repräsentiert, während die Vergangenheit „hinter einem“ liegt. Manche Menschen repräsentieren aber Ereignisse, die in der Vergangenheit liegen, in ihrem inneren Repräsentationsraum auf der linken Seite, zukünftiger Ereignisse dagegen rechts. Die „Timeline“, also die imaginative Repräsentanz des Ablaufs der Ereignisse der Lebensgeschichte, kann auch von unten nach oben, gekrümmt, abgeknickt oder in beliebigen anderen Formen repräsentiert sein. Dies ist dem Patienten in der Regel zunächst nicht bewusst und muss zuerst durch die Imagination von Beispiel-Ereignissen aus dem Leben des Patienten herausgearbeitet werden. Der imaginative Verlauf der Timeline hat für den Patienten eine subjektive Bedeutung. Wenn etwa die Timeline in der Zukunft nach unten verläuft, kann das die Bedeutung einer pessimistischen Zukunftserwartungen haben, ein Knick in der Timeline repräsentiert meistens eine einschneidende Veränderung, die stattgefunden hat oder vom Patienten in der Zukunft erwartet wird. Durch die imaginative Veränderung der Form der Timeline kann die Art und Weise, wie ein Patient seine Lebenszeit (also seine persönliche Vergangenheit und Zukunft) repräsentiert, verändert werden.

Timeline-Arbeit in Handlungstrance und in Entspannungstrance

Der klassische NLP-Stil der Timeline Arbeit besteht darin, die Timeline, entweder imaginiert oder gegenständlich repräsentiert z.B. durch ein Seil, im Raum „aufzubauen“, so dass der Patient sich auf der Timeline oder auch neben ihr im Raum bewegen kann. In seiner inneren Welt repräsentieren dann die verschiedenen Orte auf und neben der Timeline bestimmte Zeitpunkte aus seinem Leben. In diesem Fall sprechen wir von einer „Handlungstrance“, in der der Patient sich wach fühlt, umhergeht, verbal kommunizieren kann und dennoch sich in einer imaginativen Zweiterealität befindet. Ähnliche Prozesse können auch nur in der inneren Welt, also in der Trance-Realität im Zustand tiefer Entspannung als Imaginationen oder in einem hypnotischen Traum erlebt werden. In diesem Fall sprechen wir von Timeline-Arbeit in Entspannungstrance.

Altersregression und Altersprogression

Timeline-Arbeit eignet sich dafür, um es dem Patienten zu ermöglichen, gleichsam „Schritt für Schritt“ aus der Gegenwart in seine persönliche Vergangenheit oder in seine Zukunft zu „gehen“. Orientiert er sich in seine biografische Vergangenheit, sprechen wir von „Altersregression“, wenn er in seine biografische (imaginierte) Zukunft „geht“, sprechen wir von „Altersprogression“.

Ressourcenaktivierende Timeline-Arbeit

Durch Timeline Arbeit ist es möglich, in der biografischen Vergangenheit des Patienten ressourcenvolle Situationen oder Beziehungen aufzusuchen und zu erkunden. Der Therapeut kann den Patienten einladen, sich in die ressourcenvolle Situationen hineinzuspüren und sich „darin“ gleichsam mit biografischen Ressourcen „aufzuladen“. Diese Ressourcen kann er dann imaginativ aus der „Vergangenheit“ wieder „in die „Gegenwart mitnehmen“. Ressourcenaktivierung ist auch durch Altersprogression möglich. Beispielsweise kann der Patient sich auf der Timeline in seine (imaginierte) Zukunft bewegen bis zu einem Zeitpunkt, an dem sein gegenwärtiges Problem gelöst ist. Er kann sich in die ressourcenvolle Situation der Zielerreichung hineinversetzen, diese ausfantasieren und sich gleichsam „in“ dieser Ressource erleben. Dann kann er sich „umdrehen“ und aus der „Zukunft“ (in der er sich gerade imaginativ befindet) auf der Timeline in die Gegenwart „zurückblicken“ um sich zu „vergegenwärtigen“, wie es ihm gelungen ist, das Problem zu lösen und sein Ziel zu erreichen. Diese Methode der „Pseudo-Orientierung in der Zeit“ ist ein von Milton Erickson erfundene Kniff, der es dem Patienten ermöglicht, aus seinem problemverhafteten Bewusstsein herauszutreten und das Problem gleichsam als schon gelöst zu betrachten, um von dort aus den Weg der Lösung quasi im Nachhinein zu „rekonstruieren“.

Psychodynamische Timeline-Arbeit

Timeline-Arbeit kann auch psychodynamisch-aufdecken eingesetzt werden, beispielsweise um die biografischen Ursprünge eines aktuellen Problems und deren systemische Einbettungen zu erkunden. Ein Patient kann beispielsweise von einem aktuellen Problem aus auf der Timeline in die Vergangenheit „gehen“ bis zu dem Zeitpunkt, wo das Problem zum ersten Mal aufgetreten ist. (Ähnlich hat Freud zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn mit Hypnose gearbeitet.) In der „Ursprungssituation“ kann der Patient sich in verschiedene beteiligte Personen hineinversetzen und auf diese Weise die Psychodynamik der Entstehung seiner Störung erkunden. Eine Weiterarbeit im NLP-Stil von diesem Punkt aus könnte beispielsweise sein, die vergangene Dynamik ressourcenorientiert zu verändern, so dass die alte Situation von den Patienten als Ressourcen voll wahrgenommen wird, was er dann wiederum in die Gegenwart hinein „mitnehmen“ kann. Diese NLP-Technik wird als „change history“ bezeichnet. Dabei sind inhaltliche Veränderungen der biografischen Lebenszeit durch Hypnose in der Regel therapeutisch kontraproduktiv, dagegen können Veränderungen vergangener Erfahrungen durch Neubewertung hilfreich sein.

Die Meta-Position

Als „Ort des Überblicks“, an dem der Patient auf dissoziierte Weise quasi einen inneren Abstand zu den Ereignissen seiner Lebensgeschichte einnimmt, wird häufig eine so genannte „Meta-Position“ neben der Timeline etabliert. Hierhin kann sich der Patient begeben, um sich einen Überblick zu verschaffen, die Dinge nüchtern zu betrachten oder aus einem bestimmten Abstand heraus biografische Konstellationen aufzubauen oder experimentell zu verändern.

Der sichere Ort

Besonders für retraumatisierung- oder überflutungsgefährdete Patienten ist zusätzlich oft das Etablieren eines „sicheren Ortes“ erforderlich, also einer Position im Raum, die für den Patienten einen sicheren Rückzugsort symbolisiert, an dem er sich sicher und geschützt fühlt, und an den er sich begeben kann, wenn ihm Ereignisse auf der Timeline zu bedrohlich werden.

Werner Eberwein