Was ist Rassismus?

Rassismus ist eine diskriminierende Ideologie, in der Menschen nach angeblichen oder wirklichen äußeren genetischen Merkmalen (v.a. Hautfarbe, aber auch z.B. Augen- und Lippenform, Haargestalt, Gesichts-, Schädel-, Körperform, Körpergröße usw.) in sogenannte „Rassen“ unterteilt werden, wobei diese Unterteilung mit der Behauptung der Höher- bzw. Minderwertigkeit mancher „Rassen“ in Bezug auf andere einhergeht.

Seit dem 19. Jahrhundert wird der Begriff „Rasse“ häufig identisch mit dem Begriff „Volk“ verwendet, sofern es sich nicht um eine politische Unterscheidung zwischen Staaten und Staatsbürgern, sondern um angeblich biologische, also genetische Unterscheidungen handelt. Begriffe wie „völkisch“ oder „Volkskörper“, wie sie in der AFD und anderen rechtsnationalistischen Gruppierungen verwandt werden, sind als rassistisch anzusehen.

In „Rassentheorien“ (eigentlich: rassistischen Theorien) werden nach diversen Gesichtspunkten zwischen zwei und über 200 angeblichen „Menschenrassen“ unterschieden, z.B. Weiße, Schwarze, Rote, Gelbe oder Kaukasier, Afrikaner, Mongole, Malaye, Inder usw.

Auch Mentalitätstypisierung in Bezug auf das Geschlecht („Männer sind/wollen/denken/fühlen soundso …“, „Frauen sind anders, nämlich …“, esoterische Vorstellungen von weiblicher versus männlicher „Energie“ usw.) sind rassistisch, weil sie unveränderbare Mentalitätsunterschiede aufgrund der genetischen Geschlechtszugehörigkeit behaupten.

Das selbe gilt für die Behauptung unveränderlicher Zusammenhänge zwischen Mentalitätsunterschieden und anderen biologischen Merkmalen, z.B. Haarfarbe („Blonde sind …, Rothaarige sind …“), Gesichtsform („Ein kantiges Kinn weist auf … hin, ein fliehendes Kinn auf …“), Körpergröße usw.

Alle Theorien der Höher- oder Minderwertigkeit genetischer Menschengruppen haben sich als wissenschaftlich unhaltbar erwiesen. Biologisch betrachtet gehören alle Menschen einer einzigen „Art“ an, denn sie können sich unbegrenzt fruchtbar miteinander paaren. Die heute lebenden Menschen stimmen nach genetischen Untersuchungen zu 99,9 % in ihren DNA-Sequenzen überein, d.h. alle nur denkbaren genetischen Unterschiede zwischen Menschen betreffen maximal 1/1000 ihrer genetischen Substanz. Auch in der Zoologie wurde der Begriff „Rasse“ in Bezug auf Tiere weitgehend durch den Terminus „Unterart“ ersetzt. Im englischen und französischen Sprachgebrauch wird der Begriff „race“ als Bezeichnung für die gesamte Menschheit verwendet.

Der Begriff „Rasse“ dient unter anderem zur biologistischen Rechtfertigung von Privilegien der eigenen Gruppe und zur Begründung der Überlegenheit der eigenen „Rasse“ gegenüber allen anderen. Für Menschen mit einer rassistischen Weltanschauung wird die Unterscheidung angeblicher „Rassenmerkmale“ zu einem wesentlichen Organisationsprinzip ihrer sozialen Wahrnehmung.

Behauptet wird eine biologische Basis von Mentalitäten, d.h. psychische Eigenschaften (besonders Fähigkeiten) wie z.B. Intelligenz, Leistungsfähigkeit, Ordnungssinn, Sexualpräferenzen, Zuverlässigkeit, Kreativität, Impulskontrolle, Verhältnis zu Autorität usw., die als Folgen der „Rassenzugehörigkeit“ betrachtet werden. Typisch für Rassisten und typische Folge rassistischer Auf- bzw. Abwertungen sind Versuche, die eigene „Rasse“ „reinhalten“ und „Vermischungen“ mit anderen „Rassen“ verhindern zu wollen.

Rassistisch ist nicht schon die Feststellung, dass es genetische Unterschiede zwischen Menschen gibt, von denen manche äußerlich sichtbar sind (z.B. Geschlecht, die Haar-, Haut- oder Augenfarbe), denn das ist unbestreitbar, ebensowenig wie die Feststellung, dass es soziale Unterschiede zwischen genetisch unterscheidbaren Menschengruppen gibt (z.B. dass in praktisch allen Ländern der Welt mehr Männer als Frauen auf Leitungspositionen sitzen, oder dass in Nordamerika im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung mehr „Schwarze“ als „Weiße“ in Armenvierteln leben). Rassistisch ist die Behauptung, dass das nicht ein Produkt sozialer (eben rassistischer) Benachteiligung sondern Folge eines unveränderbaren weil genetischen Zusammenhangs zwischen biologischen Merkmalen und mentalen Fähigkeiten sei.

Um empirisch feststellbare Unterschiede zwischen Menschengruppen wertfrei zu bezeichnen, wird oft der Begriff „Ethnie“ verwendet, mit dem Menschen nach historischen, sozialen und kulturellen Gesichtspunkten (z.B. aufgrund ihres Selbstverständnisses und Gemeinschaftsgefühls, ihrer Sprache, Wirtschaftsweise, Geschichte, Kultur, Religion, Brauchtum, Ernährung, Kleidung, Lebensgewohnheiten, Bewohnen eines bestimmten Gebietes o.ä.) als Gruppe mit eigener Identität bezeichnet werden (z.B. Kurden, Pygmäen, Eskimo, Maori, Aborigines, Tuareg, Indianer Nordamerikas usw.) In der entsprechenden Wissenschaft, der Ethnologie, wird größten Wert darauf gelegt, damit keine Vorurteile über angebliche Höher- bzw. Minderwertigkeit bestimmter Ethnien anderen gegenüber zu verbinden.

Neben dem klassischen, unverhohlenen Rassismus, der mit offener Verachtung einhergeht und bis hin zu organisierten Tötungen geht, gibt es auch noch einen subtilen, indirekten, verdeckten Rassismus, der die betroffenen Menschen aber dennoch massiv belasten kann, vor allem wenn sie entsprechenden Äußerungen immer wieder ausgesetzt sind, weil die rassistischen Implikationen entsprechender Aussagen nicht unmittelbar deutlich sind (z.B. „Kann ich mal deine Haare anfassen?“, „Du hörst doch bestimmt Hiphop“, „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber …“). Auch Zuschreibungen positiver Eigenschaften zu genetischen Merkmalen (z.B. „Schwarze können besser tanzen“) sind in ihrem Wesen rassistisch („romantischer Rassismus“).

Neben Rassismus als persönliche Einstellung gibt es kollektive Formen von Rassismus (Ablehnung einer Menschengruppe durch eine andere), kulturellen, sprachlichen und institutionellen Rassismus.

Die Erscheinungsformen des Rassismus gehen von Vorurteilen, Kontaktvermeidung, rassistischen Witzen oder Sprüchen über indirekte und direkte Abstempelung und Abwertung, Benachteiligung, soziale Diskriminierung, Ausgrenzung, bis hin zu Rassentrennung („Apartheit“), Versklavung, rassistische Vergewaltigung, Brandanschläge, Morde, Pogrome, Vernichtung ganzer ethnischer Gruppen („ethnische Säuberungen“), Euthanasie und Völkermord.

Die Geschichte des Rassismus reicht bis in die Frühgeschichte praktisch sämtlicher menschlicher Kulturen zurück. Beispielsweise geht das Kastenwesen in Indien (spätestens seit etwa 1500 vor Christus) auf rassistische Motive zurück. Im alten China wurden die „Barbaren“ (d.h. die nicht-chinesischen Völker) mit Tieren verglichen und entsprechend behandelt. Ob es im alten Griechenland und Rom Rassismus gab, ist umstritten. Manche Historiker gehen davon aus, dass dort die „Barbaren“ (z.B. die Menschen Mittel-, Nord- und Osteuropas sowie Afrikas und Asiens) nur kulturell, nicht aber biologisch als minderwertig betrachtet wurden. Andere sehen Rassismus als Wurzel der Sklaverei, die die Basis der altgriechischen und altrömischen Ökonomie war. Im europäischen Mittelalter war spätestens seit dem 14. und 15. Jahrhundert ein rassistischer Antisemitismus und Antiislamismus verbreitet.

Besonders krasse Beispiele für Rassismus im 20. Jahrhundert waren:

  • die Rassegesetze und die Konzentrationslager der Nazis (1933-1945),
  • die Rassendiskriminierung in den USA (v.a. ca. 1890-1960,
  • der Völkermord des osmanischen Reichs an den Armeniern (1915/16),
  • das Apartheitsregime in Südafrika (ca. 1902-1992) und
  • die Zwangsentfernung von Kindern aus Aborigine-Familien durch die australische Regierung (v.a. 1909-1969).

Dem Rassismus verwandte Begriffe sind z.B.:

  • Xenophobie (Fremdenangst), Heterophobie (Angst vor dem anderen)
  • Fremdenfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit, Islamophobie,
  • Frauenfeindlichkeit, Männerfeindlichkeit,
  • Antisemitismus, Nationalismus

Der Begriff „Rasse“ als Bezeichnung genetisch unterschiedener Menschengruppen ist selbst schon rassistisch. Daher hat die UNESCO (die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) 1995 in einer Resolution gegen den „Rasse“-Begriff jede biologische oder soziologische Ableitung rasseähnlicher Kategorien geächtet:

„… Das Konzept der „Rasse“, das aus der Vergangenheit in das 20. Jahrhundert übernommen wurde, ist völlig obsolet geworden. Dessen ungeachtet ist dieses Konzept dazu benutzt worden, gänzlich unannehmbare Verletzungen der Menschenrechte zu rechtfertigen. …

… Neue, auf den Methoden der molekularen Genetik und mathematischen Modellen der Populationsgenetik beruhende Fortschritte der modernen Biologie zeigen jedoch, daß diese Definition völlig unangemessen ist. Die neuen wissenschaftlichen Befunde stützen nicht die frühere Auffassung, dass menschliche Populationen in getrennte „Rassen“ wie „Afrikaner“, „Eurasier“ (einschließlich „eingeborener Amerikaner“), oder irgendeine größere Anzahl von Untergruppen klassifiziert werden könnten. …

… Nach wissenschaftlichem Verständnis ist die Einteilung von Menschen anhand der Verteilung von genetisch determinierten Faktoren daher einseitig und fördert das Hervorbringen endloser Listen von willkürlichen und missleitenden sozialen Wahrnehmungen und Vorstellungen. Darüber hinaus gibt es keine überzeugenden Belege für »rassistische« Verschiedenheit hinsichtlich Intelligenz, emotionaler, motivationaler oder anderer psychologischer und das Verhalten betreffender Eigenschaften, die unabhängig von kulturellen Faktoren sind. …

… Es gibt keinen überzeugenden wissenschaftlichen Beleg, mit dem dieser Glaube gestützt werden könnte. … Es gibt keinen wissenschaftlichen Grund, den Begriff »Rasse« weiterhin zu verwenden.“

Allerdings wird der Begriff „Rasse“ in diversen (anti-diskriminierenden) Gesetzestexten weiterhin verwandt. So heißt es z.B. in Artikel 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (von 1949):

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

In Artikel 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 („Diskriminierungsverbot“) heißt es:

„Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.“

Werner Eberwein