Was ist hypnosesystemische Therapie?

In der 45minütigen Sendung „Heilen mit Hypnose – Die Macht innerer Bilder“, die der Südwestdeutsche Rundfunk am 5.2.2014 ausgestrahlt hat, wurde die Methode der hypnosystemischen Therapie nach Gunther Schmidt anhand von drei Behandlungsbeispielen dargestellt.

Gunther Schmidt (* 1945) ist ein Arzt, Systemischer Psychotherapeut und Hypnotherapeut in Heidelberg. Er ist Leiter des Milton-Erickson-Instituts Heidelberg und der Abteilung für systemisch-hypnotherapeutische Psychosomatik der Fachklinik am Hardberg sowie der Privatklinik für Psychosomatik und Psychotherapie in Siedelsbrunn und Begründer der hypnosystemischen Therapie.

In der Sendung wurde die Methode der niederfrequenten hypnosystemischen Kurzzeittherapie dargestellt. Die drei vorgestellten Patientinnen erhielten eine bis zehn Hypnose-Sitzungen jeweils im Abstand von mehreren Wochen.

Schmidt arbeitet konsequent nach dem Konzept der Kompetenzorientierung. Das heißt, er arbeitet die Kompetenzen des Patienten heraus und betrachtet Störungen als kompetente Leistungen. Symptome seien Lösungsversuche für existenzielle Probleme, die allerdings „hohe Kosten verursachen“. Störungen werden als Problemtrancen verstanden, die durch die Therapie in ressourcenvolle Trancen verwandelt werden könnten. Konsequent nutzt („utilisiert“) Schmidt alle Reaktionen des Patienten im Sinne des therapeutischen Fortschritts. Auch die Symptome selbst deutet er um, vor allem indem er ihre positive Funktion innerhalb der Systeme beschreibt, in denen der Patient lebt (Reframing).

Am Anfang des Gesprächs validiert Schmidt das Erleben von Leid der PatientInnen, vor allem seine Intensität, und betont von Anfang an die Kompetenzen und Fähigkeiten der PatientInnen. Die Hypnose selbst ist von außen zeitweise kaum als solche zu erkennen. Schmidt arbeitet mit Konversations-Trancen, also mit beiläufigen Suggestionen und Imaginationen im Gespräch, die in einem nur leicht vertieften Bewusstseinszustand während des Gespräches stattfinden. Er hilft den PatientInnen, sich von ihren Problemen bzw. Auslöse-Situationen zu dissoziieren, um diese aus einem gewissen Abstand zu betrachten und damit transformierbar zu machen.

Schmidt arbeitet viel mit Anker-Konzepten. Er geht davon aus, dass in traumatischen Auslöse-Situationen durch bestimmte Auslösereize („Trigger“) leidvolle Erlebnisganzheiten ausgelöst werden. Diese Koppelung habe sich verfestigt, so dass im späteren Leben ein an sich neutraler Reiz den vollständigen Problemzustand auslösen kann. Eine der vorgestellten Patientinnen wurde bspw. als Kind von ihrem Bruder eingesperrt, was ihr große Angst machte. Heute ist Enge – z.B. in Aufzügen – bei ihr zum Auslöser für Panikreaktionen geworden – es ist eine Klaustrophobie entstanden.

Ankerungsprozesse werden auch therapeutisch genutzt. Es werden Ressourcenanker etabliert (bspw. das Erleben eines sicheren Ortes, eines kompetenten Anteils oder eines ressourcenvollen Zustandes), die dann in Trance mit dem Problemanker (z.B. Enge im Fahrstuhl) verbunden werden, wodurch sich das Erlebnis, so Schmidt, dauerhaft ändert. Weitere Ressourcen, mit deren Aktivierung er arbeitet, sind bspw.

  • Imaginationen von Zielzuständen, die der Patient erreichen will,
  • das Wissen und die Erfahrung des Erwachsenen, die dem „inneren Kind“ zur Verfügung gestellt werden,
  • Kompetenzbilder der Eltern, die das Erleben der Patienten ihnen gegenüber verändern.

Weiterhin arbeitet Schmidt mit Submodalitäten. Problemsituationen werden durch Veränderungen in den Modi der inneren Wahrnehmung verändert. Bspw. wird ein enger Raum als weit oder eine laute Stimme im Kopf als leiser imaginiert.

Kritischer Kommentar von mir: Beim Anschauen der Sendung konnte leicht der Eindruck entstehen, als könne man schwere psychische und psychosomatische Probleme, auch solche, die jahrzehntelang bestanden haben, mit Sicherheit in einer oder wenigen Hypnose-Sitzungen für immer „wegzaubern“. Auch wenn das in Einzelfällen möglich sein mag, und auch wenn die Wirksamkeit der Hypnotherapie inzwischen wissenschaftlich recht gut belegt ist, so ist sie doch kein „Schnips-und-weg“-Wundermittel. Hier ist eine sowohl wertschätzende als auch kritische Distanz angebracht.

Werner Eberwein