Was ist eine narzisstische Störung?

Narzisstische Störungen beruhen auf Problemen mit dem Selbstwertgefühl. In der Alltagssprache wird der Begriff „narzisstisch“ meistens als Schimpfwort im Sinne von „eingebildet“, „egozentrisch“, „hochnäsig“, „eitel“ oder „sich selbst überschätzend“ verwandt. Der klinische Begriff des Narzissmus meint aber im Kern eher das Gegenteil: ein instabiles Selbstwertgefühl und eine leicht zu erschütternde, Stützung bedürftige oder unentwickelte Selbstliebe, die entweder in depressiver Form ständiger Bestätigung bedarf oder kompensatorische durch übertriebene Selbstdarstellung überdeckt wird.

Grandios erscheinende Narzissen machen sich und anderen vor, die Größten zu sein. Sie haben ein unstillbares Verlangen nach Bewunderung und projizieren ihre Selbstzweifel auf andere, die sie als dumm und unzulänglich abwerten. Sich selbst empfinden sie als unerreichbar und unübertroffen wundervoll, sind aber zugleich von nagenden Selbstzweifeln zerfressen.

Eine gesunde Liebe für sich selbst ist ein unabdingbarer Bestandteil der Psychohygiene. Ein Mensch, der sich selbst nicht lieben kann, leidet gerade unter einer narzisstischen Störungen, weil er sich unablässig Selbstbestätigung von außen holen muss. Ein Mensch aber, der über die Maßen selbstverliebt erscheint, benötigt zwanghaft narzisstische Bestätigung, um ein in Wirklichkeit wackliges Selbstwertgefühl zu überdecken.

Menschen mit einem narzisstischen Defizit stehen ständig unter dem Zwang, sich selbst beweisen, sich über andere stellen oder sich mit den Insignien des Erfolges oder der Großartigkeit umgeben zu müssen. Oft bereits im Elternhaus „auf Leistung getrimmt“ können sie sich nur dann wertschätzen, wenn sie besser als andere, ja im Grunde stets und überall die/der beste sind. Dieses Ideal ist selbstverständlich nicht dauerhaft erreichbar, daher bleiben Sie hinter dieser Größenfantasie ihrer selbst unweigerlich zurück und fühlen sich als Versager, was ihr Selbstwertgefühl weiter destabilisiert, das dann wiederum durch scheinbare Großartigkeit kompensiert werden muss.

Vor allem in nahen Beziehungen und insbesondere in Partnerschaften führt eine solche eitle, egozentrische und übertrieben selbstbezogene Haltung zu viel Leid, letztlich für beide Partner, weil die Beziehung auf Kosten des anderen vor allem zum eigenen Nutzen gestaltet wird und der andere in seinem Wesen nicht gesehen und in seinen Bedürfnissen vernachlässigt wird.

Der Begriff geht zurück auf den altgriechischen Mythos von dem schönen Jüngling Narkissos, der, von Stolz auf seine Schönheit erfüllt, alle Verehrerinnen zurückwies und dafür von den Göttern mit unstillbarer Selbstliebe bestraft wurde. Nach Ovid verliebte er sich in sein eigenes Spiegelbild, das er im Wasser erblickte, erkannte dann aber die Unerfüllbarkeit dieser Liebe und stieß sich einen Dolch in die Brust. Aus seinem Blut, das die Erde tränkte, entsprang eine Narzisse.

Unter malignem (bösartigen) Narzissmus wird eine schwere Persönlichkeitsstörung verstanden, wie sie häufig im kriminellen Milieu, aber auch in den Chefetagen von Politik und Wirtschaft zu finden ist. Sie ist gekennzeichnet durch

  • ein ausbeuterisches Interesse an anderen,
  • zwanghaftes Lügen ohne Schuld- oder Schamgefühle um sich Anerkennung oder Erfolg zu sichern oder seinen Willen durchzusezten,
  • entgrenzte und gewissenlose Aggression, häufig kombiniert mit paranoiden Neigungen,
  • einen Herrschaftsanspruch in einer Gruppe bei fehlendem Verantwortungsgefühl, Gewissen, Sorge und Mitgefühl für andere.

Wenn Sie mehr wissen wollen, können Sie die Bücher z.B. von Heinz Kohut, Alice Miller und Bärbel Wardetzki zum Thema lesen.

Werner Eberwein