Was ist die Februarmann-Technik?

Die Februarmann-Technik ist eine hypnotherapeutische Methode, die von dem US-amerikanischen Psychotherapeuten Milton Erickson entwickelt und in seinem erstmals 1989 bei Brunner & Mazel erschienenen Buch „The February Man – Evolving Consciousness an Identity in Hypnotherapy“ beschrieben und in ausführlichen Gesprächen mit seinem Schüler Ernest Rossi kommentiert wurde.

Es handelt sich um eine korrektiven Altersregression zur Heilung des inneren Kindes. Grundidee ist, dass eine Störung durch traumatische Erfahrungen in der Kindheit entstanden ist. Die Patientin wird auf hypnotischen Weg in eine Altersregression geführt. Dort macht sie durch Einfügung spezifischer Ressourcen heilsame Erfahrungen. Diese transformieren auf dissoziative Weise die traumatischen Erlebnisse in ressourcenvolle Erfahrungen, was einen Heilungsprozess der zu behandelnden Störung bewirkt.

Da manche (besonders strukturgestörte) Patienten unter einem Mangel an inneren oder äußeren Ressourcen leiden, oder zu diesen wenig Zugang haben, ist es möglich, die Beziehung zum Therapeuten selbst, bzw. ein imaginiertes Bild des Therapeuten als Ressource in der Altersregression zu nutzen. In dem genannten Buch beschreibt Erickson ausführlich einen solchen Fallbericht, in dem er sich selbst bei einer Patienten in der Altersregression als Ressource in ihre Lebensgeschichte eingefügt hat: immer im Februar „erschien“ er ihr über Jahre hinweg gleichsam in ihrer Biografie, daher der Name „Februarmann“.

Es handelt sich dabei um eine Umdeutung (Reframing) der eigenen Vergangenheit, um eine Re-Edukation bzw. ein Reparenting (eine „Nachbeelterung“). Um die Patientin nicht in ihrer biografischen Orientierung zu verwirren, fand keine inhaltliche Veränderungen ihrer Erinnerungen statt, sondern ihr wurde vielmehr eine umfassendere Sichtweise, eine Erweiterung ihres Erlebnisrahmens angeboten mit der Absicht, sie aus einer eingeengten Erlebensweise zu befreien.

In dem Buch ist die Februarmann-Technik eingebettet in eine Vielfalt von indirekten und konfusionierenden Techniken, die für Erickson typisch sind, die ich hier aber nicht erläutern kann. Sie können in dem genannten Buch nachgelesen werden (auf deutsch ist es 1991 bei Junfermann erschienen).

Die Behandlung fand im Jahr 1945 im Rahmen einer kleinen Demonstrationsgruppe statt. Erickson arbeitet mit einer Krankenschwester, die in dem Buch als „Miss S.“ oder „Jane“ bezeichnet wird, die unter chronischen Depressionen litt, außerdem unter einer schweren Wasserphobie, die damit zusammenzuhängen schien, dass sie sich dafür verantwortlich fühlte, dass ihre jüngere Schwester einmal als Kind fast ertrunken wäre. Es fanden 4 Hypnose-Sitzungen im Abstand von jeweils einigen Wochen statt. Die Sitzungen wurden von Erickson‘s Sekretärin wörtlich mitstenografiert und danach komplett auf einer Schreibmaschine (die gab es damals noch …) abgetippt.

Erickson trainierte die Patienten zuerst in verschiedenen hypnotischen Phänomenen und führte sie dann in ihrem Erleben zurück in ihrer Kindheit. (In dem Fallbericht bewirkt er die Altersregression auf eine raffinierte, indirekte Weise, aber für die therapeutische Anwendung der Technik ist auch jede andere Form von hypnotischer Altersregression möglich.) Er orientierte sie in das Jahr 1929, in dem die Patienten noch ein Vorschulkind war.

Während sich die Patienten in einem altersregressiven Zustand befand, nahm Erickson als „Februarmann“ Kontakt zu ihr auf und legte ihr einige Dinge, z.B. einen goldenen Ring und einige Stifte in ihre Hände. Er befragte sie in Trance über ihr Erleben, worüber sie ihm so berichtete, als ob sie tatsächlich ein Kind sei. Er sprach mit ihr wie mit einem Vorschulkind. Er erklärte dem „Kind“, dass es ihn (den „Februarmann“) mag, versprach ihm, dass sie sich wiedersehen werden, und dass das dem „Kind“ bestimmt Spaß machen werde.

Erickson befragte das „Kind“, was ihm Kummer mache. Die Patientin als „Kind“ antwortete, es sei der Tod ihres Vaters. Erickson sprach auf liebevoll-väterliche, beruhigende und erklärende Weise mit dem „Kind“ über den Tod. Ebenso sprach er mit ihr – immer weiter in der Altersregression – über den Unfall mit ihrer Schwester und beruhigte das „Kind“ in Bezug auf dieses Erlebnis.

Er leitete die Patienten mehrfach an, aus der Altersregression heraus in ihre eigene Zukunft (also in ihre reale Gegenwart) hineinzuschauen und suggerierte ihr heilsame Auswirkungen der korrektiven Regression in der „Zukunft“.

In einer Nachbesprechung einige Monate nach der Behandlung berichtete die Patientin, sie sei mehrfach schwimmen gewesen und ihre Stimmung habe sich deutlich verbessert. Die Patienten zeigte Amnesie bezüglich der Hypnose; sie konnte sich weder an die Arbeit mit dem Februarmann noch daran erinnern, überhaupt von Erickson hypnotisiert worden zu sein – eine typische Reaktion bei der Arbeit mit indirekten Hypnosetechniken.

Werner Eberwein