Wie funktioniert Hypnose bei Flugangst?

Wie Hypnose bei Flugangst angewandt wird, hängt davon ab, ob die Flugangst als isoliertes Symptom oder als Teil einer breiteren Angstbereitschaft gesehen wird. Menschen mit Flugangst haben z.B.

  • Angst vor der Enge und dem „Eingesperrtsein“ in dem Flugzeug – man hat darin meistens wenig Platz, und man kann es während des Fluges nicht verlassen,
  • Angst vor dem Kontrollverlust – man muss sich während des Fluges dem Piloten und dem Begleitpersonal anvertrauen,
  • traumatischer Erfahrungen beim Fliegen gemacht – beispielsweise gefährliche Situationen oder Beinahe-Abstürze,
  • Angst davor, „fallengelassen“ werden – auch z.B. von nahestehenden Menschen oder in Beziehungen.

Die Flugangst hängt oft zusammen mit einem überstarken (und beim Fliegen dysfunktionalen) Kontrollbedürfnis und einem Mangel an der Fähigkeit, sich anderen Menschen anzuvertrauen, oft weil diese Patienten in ihrer Kindheit ein Defizit an haltgebenden existenziellen Bindungen erlebt haben, das sich in der Regel zum Zeitpunkt der Entstehung der Flugangst in ihren aktuellen Beziehungen wiederholt hat (z.B. durch die Destabilisierung einer tragenden Bindung.

Die Angst vor dem Fliegen ist in aller Regel nicht die einzige Angst, die diese Patienten haben, auch wenn sie beim Therapeuten zunächst nur diese als isoliertes „zu beseitigendes“ Problem vorstellen. Eine breiter und auf Nachhaltigkeit angelegte Hypnotherapie würde stets die Grundstörungen bearbeiten, die der Flugangst zugrundeliegen, meistens in Kombination mit anderen psychotherapeutischen Verfahren.

Hypnotische Kurzzeittherapie bei Flugangst

Manche Patienten wollen aber lediglich wieder fliegen können, was eine nachvollziehbare Motivation für eine Hypnosebehandlung ist. In diesem Fall kann Hypnose symptomfokussiert als zielorientierte Kurzzeittherapie eingesetzt werden.

Der Hypnotherapeut kann z.B.

  • dem Patienten in eine vertiefte Entspannung führen und ihm suggerieren, dass er diesen Entspannungszustand auch im Flugzeugsessel erleben werde,
  • bei dem Patienten suggestiv die Bauchatmung fördern, weil sie zur Beruhigung und Angstminderung beiträgt, die er dann auch beim Fliegen praktizieren solle,
  • dem Patienten die direkte posthypnotische Suggestion geben, dass er das Flliegen angstfrei und entspannt erleben werde,
  • bei dem Patienten auf hypnosuggestive Weise die Flugangst imaginativ bspw. in der linken Hand „ankern„, einen ressourcenvollen Zustand von Sicherheit und Gelassenheit in der rechten Hand ankern und dann eine imaginierte „Energieübertragung“ zwischen den beiden Händen einladen,
  • dem Patienten in Trance die Anwesenheit einer Person erleben lassen, die Fliegen auf entspannte und gelassene Weise erleben kann, und den Patienten dann hypnotisch in diese „Modellperson“ hineinsuggerieren, so dass der Patient die Fähigkeit, entspannt zu fliegen, gleichsam in Trancevon der Modellperson „abkupfern“ kann,
  • dem Patienten in Trance die Technik des „Gedankenstop“ vermitteln, in der angstauslösende Gedanken innerlich angehalten und durch ressourcenvolle Gedanken ersetzt werden,
  • den Patienten in Trance an einen Wohlfühlort orientieren und ihm dann suggerieren, dass er die dort erlebten Empfindungen von Sicherheit und Gelassenheit auch auf dem Flugzeugsitz erleben werde,
  • dem Patienten hypnosuggestiv helfen, imaginativ „Mentoren“ oder „Helferwesen“ zu etablieren, die dem Patienten in seiner inneren Realität ermutigen können, den Flug entspannt und gelassen zu erleben,
  • auf hypnosuggestive Weise einen „Talisman“ (z.B. einen Stein oder eine Kastanie) mit der „Energie“ der Gelassenheit und Entspanntheit „aufzuladen“, den der Patient dann bei seinem Flug mit sich trägt,
  • den Patienten durch hypnotische Altersprogression in einer Zeit in die Zukunft hineinführen, in der er seine Flugangst überwunden hat, und ihn dann in der Zeit zurückblicken lassen, so dass er in Trance erleben kann, auf welche Weise er seine Flugangst bewältigt hat,
  • den Patienten durch hypnotische Altersregression in einer Zeit zurückführen, bevor seine Flugangst entstanden ist und ihn diesem Zustand in die Gegenwart hinübernehmen lassen,
  • den Patienten in eine Kinoszenerie führen, in der er auf der Leinwand den Moment unmittelbar vor Auslösung seiner Angst sehen kann, dann den Moment, wenn die Angstreaktionen vorüber ist, und ihn dann suggestiv einladen, den Ablauf vom Nachher zum Vorher mehrmals schnell rückwärts ablaufen zu lassen, um die Angstauslöser und die daran geknüpften Assoziationen zu dekonstruieren,
  • bei dem Patienten eine innere Wandlung zur Überwindung der Flugangst in seinen nächtlichen Träumen suggerieren,
  • durch hypnotische „Teile-Arbeit“ den Persönlichkeitsanteil des Patienten identifizieren, der für die Flugangst verantwortlich ist, sowie einen zweiten, „kompetenten“ Teil, der in der Lage ist, die Flugangst zu bewältigen, und dann in Trance einen ressourcenaktivierenden Dialog zwischen diesen beiden Teilen einladen.

Wer mehr über das Thema wissen möchte, kann das Buch „Ich fliegt dann mal“ von Tobias Conrad (Carl Auer 2008) oder von mir: „Die Kunst der Hypnose“ (Junfermann 1996) oder „Humanistische Psychotherapie“ (Thieme 2010) lesen.

Werner Eberwein