Was ist Schematherapie? (Teil 2)

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Dies ist der zweite Teil meines Beitrages über Schematherapie. Hier finden Sie den ersten Teil.

Die therapeutische Beziehung in der Schematherapie

Der Kern der Schematherapie ist die Arbeit an den basalen Konflikten zwischen den primären Bedürfnissen des „inneren Kindes“ und den verinnerlichten Beziehungerfahrungen mit den Eltern (Eltern-Ich, Über-Ich). Dabei bewegt sich die therapeutische Beziehung auf einem Kontinuum zwischen Emotionsaktivierung und Reflexionsförderung und zwischen

  • einem akzeptierenden Pol (Unterstützung, Annehmen, Bindung, Nachbeelterung, Rescripting, korrektive emotionale Beziehungserfahrung), in dem „das innere Kind“ des Patienten ein kompensatorisches empathisches Verbundenheitsgefühl mit dem Therapeuten erleben kann

und einem

  • Konfrontationspol (Veränderung, Grenzen setzen, Fordern) in dem der Therapeut den Patienten „mit dem Realitätsprinzip konfrontiert“.

Der Schematherapeut stellt sich dem Patienten als „Modell gesunder Interaktion“ zur Verfügung, „er macht ihm vor, wie es geht“. Mit Hilfe von Rollenspieltechniken (z.B. in gestalttherapeutischer Stuhl-Arbeit), könne und solle sich der Therapeut tendenziell aus der Übertragungs-Gegenübertragungs-Beziehung distanzieren um „aus der Schusslinie zu gehen“.

„Wenn der Patient nicht kooperiert“, solle der Therapeut darauf mit „empathischer Konfrontation“ reagieren. Er könne zu dem Patienten beispielsweise sagen: „Wenn Sie so wie jetzt reagieren, laufen Sie Gefahr, nicht optimal von der Therapie zu profitieren.“ Anschließend „ruft“ der Therapeut „erwachsener Anteile“ und Ressourcen im Patienten „auf“. Diese Arbeitsweise verhindere allzu starke regressive Tendenzen beim Patienten.

Schematherapie versteht sich als manualisiertes Verfahren, bei dem sich der Therapeut und der Patient durch präzise technische Vorgaben sicherer fühlten. Der Therapeut solle „ähnlich wie ein Bergführer“ Souveränität ausstrahlen, um damit auch dem Patienten Sicherheit zu geben.

Beispiele für schematherapeutische Techniken

Viele Techniken der Schematherapie verstehen sich als „erlebnisbezogen-edukativ„. Es handelt sich in der Regel um detailliert vorgegebene Psychodrama- oder Trance-Techniken auf Basis tiefenpsychologischer Konzepte, die in einem verhaltenstherapeutischen Stil angewandt werden.

  • Der Therapeut kann den Patienten einladen, seine Modi (Zustände) in Achtsamkeit wahrzunehmen um aus dem „Autopiloten-Modus“ (aus der Involviertheit in die Emotionen) auszusteigen.
  • Durch psychodramatische Arbeit kann der Patient zu emotionsaktivierenden oder sozial adaptiven Dialogen eingeladen werden, wobei er zeitweise auf die Reflexionsebene wechselt. (Diese Arbeitsweise ist der Gestalttherapie, dem Psychodrama, dem NLP und den traumatherapeutischen Screen-Techniken entnommen.)
  • Durch „Extensionstechniken“ können ressourcenhaltige Helferpersonen imaginativ in den Therapieraum geholt werden, beispielsweise ein guter Freund, ein spiritueller Führer oder eine helfende Fantasiefigur. Auf diese Weise können latente Ressourcen aktiviert werden und Hyperfokussierungen des Patienten auf Affekte können gedämpft werden.
  • Durch „Substitutionstechniken“ können die Selbstbehauptungsfähigkeiten des Patienten stimuliert werden. Beispielsweise kann in einem Rollenspiel, in dem es um einen Konflikt mit einem Kollegen geht, die Person des Patienten durch seine eigene Tochter oder seinen eigenen Sohn ersetzt werden. Der Therapeut kann ihn dann fragen: „Wie fühlt sich das an, wenn ihr Kollege das mit ihrer Tochter/ihrem Sohn macht?“ Durch einen solchen Perspektivenwechsel könne der „Selbstbehauptungsmodus“ des Patienten aktiviert werden. Sodann wird der Patient nach seinem Körperempfinden befragt und zu einer Neubewertung der Situation aufgefordert.
  • Die Selbstbehauptungsfähigkeiten des Patienten können auch durch „pädagogisches Shaping“ (d.h. durch Vorgabe adaptiven/sozial „richtigen“ Verhaltens) gefördert werden.
  • Der Therapeut kann den Patienten affirmative Audiobotschaften auf sein Handy sprechen, z.B.: „Du bist völlig in Ordnung. Du konntest damals nicht anders, als zu erstarren. Aber heute ist eine andere Zeit. Heute kannst du wählen, wie du reagieren möchtest.“ Auf diese Weise könne der Therapeut in Form seiner Stimme als „gutes Übergangsobjekt“ vom Patienten introjiziert werden.
  • Ein Grundbedürfnis (nach Bindung, Selbstbehauptung, Kontrolle oder Lust) kann in der Therapie imaginativ auf einen leeren Stuhle gesetzt werden. Auf einem zweiten Stuhl wird dann ein Eltern-Introjekt imaginiert. Sodann wird ein Dialog zwischen diesen Teilen ausgearbeitet.
  • Der Therapeut kann den Patienten einladen, achtsamkeitsbasiert einen „inneren Beobachter“ aufzubauen um ihm zu helfen, aus seinen Schema-Automatismen auszusteigen. Im Laufe dieses Prozesses wird eine „überparteiliche Vermittlungsinstanz („der Richter“, „der Regisseur“, „der Dirigent“) aktiviert, der als „Ich-Instanz“ bezeichnet werden kann.
  • Therapeutische Problemaktivierung (Schema-Aktivierung) geschieht in der Regel in der Imagination (d.h. in Trance). Dabei wird der Patient in eine Kindheitssituation zurückgeführt, die dann als Ursprung und Entstehungsort des Schemas betrachtet wird: Der Patient wird eingeladen, in seine aktuellen „dysfunktionalen“ Gefühle „hineinzugehen“. Dann solle er durch eine assoziative Affektbrücke gefühls- und körpernahe Bilder alter Beziehungssituationen in seinem Geist entstehen lassen. Auf diese Weise könnten alte Muster und Affekte (Schemata) erlebnisorientiert zugänglich gemacht werden. Gleichzeitig helfe das dem Patienten, sich aus seiner aktuellen Involviertheit in diese alten Gefühle ein Stück weit zu lösen, indem er sie unmittelbar als alte Strukturen erlebt.

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Beispiel 1 einer schematherapeutischen Sequenz:
„Entmachtung des inneren Kritikers“

  1. Der Patient wird eingeladen, den „inneren Kritiker“ auf einen leeren Stuhl zu imaginieren, und das „innere Kind“ auf einen anderen Stuhl.
  2. Nun solle der Patient sich auf den Innerer-Kritiker-Stuhl setzen und in der Du-Form zum inneren Kind sprechen, z.B.: „Du bist nichts wert, was willst du überhaupt hier!“
  3. Dann solle sich der Patient auf den Inneres-Kind-Stuhl setzen, fühlen, welche Basisemotionen das innere Kind wahrnimmt und aus diesen heraus dem Kritiker antworten.
  4. Wenn der Patient in Erstarrung oder in kognitives Argumentieren verfällt, solle der Therapeut darauf bestehen, dass der Patient als inneres Kind seine Basisemotionen benennt und aus diesen heraus dem Kritiker antwortet.
  5. Anschließend wird der innere Kritiker imaginativ „entmachtet“ (z.B. mit Hilfe von Hilfspersonen, Wegschicken, Anbrüllen, Einsperren, imaginatives Töten usw.).
  6. Sodann fragt der Therapeut das innere Kind nach seinen Grundbedürfnissen (z.B. nach Schutz, Halt, Aufmerksamkeit).
  7. Der Patient als Erwachsener gibt der verletzten Seite des inneren Kindes imaginativ was es braucht.

Auf diese Weise könne ein intrapersonale Konflikt (mit gegen das eigene Selbst gerichtete Aggressionen) in einen imaginierten interpersonalen Konflikt (mit externalisierte Aggressionen) verwandelt werden. Wutgefühle des inneren Kindes werden also zum Zwecke der Selbstbehauptung zunächst als Ressourcen verstanden und aktiviert.

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Beispiel 2 einer schematherapeutischen Sequenz:
„Imaginatives Überschreiben“

  1. Der Patient wird in einen Entspannungszustand geführt.
  2. Er wird aufgefordert, sich eine aktuell belastende Situation hineinversetzen.
  3. Der Therapeut erfragt die Gefühle des Patienten in dieser Situation.
  4. Affektbrücke: Der Patient wird aufgefordert, sich an Situationen in seiner Kindheit zu erinnern, in denen er das selbe Gefühl hatte.
  5. Er wird suggestiv in ein vertieftes Nacherleben dieser alten belastenden Situation hineingeführt.
  6. Eine Hilfsperson wird in die Erinnerung eingeführt (z.B. der Patient selbst als Erwachsener, der Therapeut oder eine andere Person des Vertrauens).
  7. Überschreiben: Der Patient wird aufgefordert, mit Hilfe der Hilfsperson die imaginierte belastende Situation der Kindheit anders, nämlich konstruktiv ablaufen zu lassen (z.B. durch imaginierte „Gegengewalt“, „Einbeziehung mächtiger Personen wie Polizisten oder Soldaten“, „Unschädlichmachen“, „notfalls Töten des Täters“).
  8. Er wird aufgefordert, „die positiven Gefühle, die damit einhergehen“, vertieft zu erleben.
  9. Der Therapeut reorientiert den Patienten zurück in den Zustand des Alltagsbewusstseins.
  10. Die Erfahrung wird nachbesprochen.
  11. Der Therapeut gibt dem Patienten  eine Hausaufgabe.

(vgl. Jacob/Arntz: Schematherapie, Beltz 2014, S. 47ff)

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Im letzten Viertel einer Schematherapie wird aus den erkundenden Rollenspielen eine eher übende Variante von Rollenspielen, die dann stärker „verhaltenstherapeutisch“ angewandt werden.

In der Schematherapie ist es üblich, nach 25 wöchentlichen Sitzungen die Sitzungsfrequenz auf 14tägig zu dehnen und nach 50 Sitzungen dann auf monatliche Sitzungsintervalle zu gehen. Auf diese Weise „gestreckte“ 80 stündige Verhaltenstherapien werden als ausreichend zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen erachtet.

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Integrative psychotherapeutische Ansätze vermittle ich in meinen Fortbildungen.

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Kleine Literaturauswahl

  • Jacob, G. & Arntz, A.: Schematherapie (Fortschritte der Psychotherapie). Hogrefe 2013
  • Jacob, G. & Seebauer, L.: Schematherapie. Fallvideos zu Persönlichkeitsstörungen und Suizidalität. Weinheim: Beltz 2013
  • Roediger, E.: Einführung in die Schematherapie. Workshop im Rahmen des Kongresses Psychodynamische Psychotherapie – Wandel und Bewegung, 8.-10.Mai 2015 in Berlin, 2 CDs.
  • Roediger, E.: Fortschritte der Schematherapie. Konzepte und Anwendungen. Hogrefe 2010
  • Roediger, E.: Praxis der Schematherapie. Lehrbuch zu Grundlagen, Modell und Anwendung. München: Schattauer 2011
  • Young, E.: Schematherapie. Ein praxisorientiertes Handbuch. Junfermann 2008

Werner Eberwein
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